Zwangsarbeiter

Kriegsgefangene mussten Zwangsarbeit verrichten. Haben Sie eigene Erfahrungen mit Zwangsarbeitern gemacht?

Herr Meins erinnert sich an Zwangsarbeiter, die auf dem elterlichen Hof gearbeitet haben:

 

Für eine kurze Zeit bekam meine Mutter einen französischen jungen Mann zugewiesen, der bei uns arbeiten musste. Später wurden ihr Zwangsarbeiter aus Polen und aus der Ukraine zugeteilt. Alle wohnten


mit im Haus. Ein Zwangsarbeiter war erst 15 Jahre alt. Sie wurden gezwungen, nach Deutschland zu kommen. Manche Zwangsarbeiter hatten es nicht so gut bei ihren Bauern. Die Bauern haben sie geschlagen, wenn sie nicht arbeiten wollten, und auch die Polizei angefordert, weil sie mit ihnen nicht zurechtkamen. Als die Polizisten dann kamen, haben diese sie auch verprügelt.


Kurz nach der Besetzung durch die Engländer erlangten alle Gefangenen und Zwangsarbeiter ihre Freiheit. Auch eine kurze Zeit zum Plündern wurde ihnen gegeben. Sie durften alles aus den Häusern mitnehmen, was sie brauchten also, Essen, Kleidungsstücke und so weiter. Bei uns wurde einige Male versucht zu plündern, aber unsere Zwangsarbeiter beschützten uns. Sie durften zwar auch plündern, aber sie haben es nicht gemacht und verhindert, dass andere es tun. Einige Bauern, die ihre Zwangsarbeiter nicht gut behandelt hatten, sind erschossen worden.


Die Zwangsarbeiter haben bei uns rund um die Uhr gelebt, sie mussten nicht nach der Arbeit irgendwo anders hin. Sie sind von uns gut versorgt worden und das hat uns dann auch sehr sehr geholfen während der Plünderungen damals. Wir waren gut zu den Zwangsarbeiter, sie wiederum auch zu uns, wir hatten also keine Probleme mit ihnen. Als es hieß, dass sie Plündern durften, gingen sie weg und wir haben nie wieder etwas von ihnen gehört.


Eines Tages, Ende April 1945, kamen über den Acker circa 10-12 Personen zu Fuß auf unseren Hof. Sie waren eigenartig angezogen und trugen gestreifte Kleidung. Der Anblick war für uns sehr erschreckend. Sie waren abgemagert und ungepflegt. Als sie in unser Haus kamen, hatte ich Angst und versteckte mich. Meine Mutter und meine Tante Meta aus Bremen, die seit 1944 bei uns Zuflucht gesucht hatte, sowie Ignatz und Andre, die beiden Zwangsarbeiter, sprachen mit ihnen. Die Leute bekamen bei uns zu essen und Milch zu trinken, geplündert haben sie nicht bei uns. Nachdem sie unseren Hof wieder verlassen hatten, erklärten Andre und Ignatz uns, dass es KZ-Häftlinge aus Bergen-Belsen waren. Wir hatten nie von der Existenz eines solchen Lagers gehört. Als die Engländer dieses Lager erreicht hatten, waren sie so entsetzt, dass sie die Gefangenen frei gelassen haben.


Eine dramatische Begebenheit gab es im Juni 1945: Unser Zwangsarbeiter-Mädchen Walla hatte Freundschaften zu den russischen Gefangenen. Zwischen zwei Männern entstand ein Streit um Walla, beide wollten sie zur Freundin haben. Leider nahm es für den einen der Männer ein tödliches Ende. Da sie sich Waffen besorgt hatten, erschoss der eine den anderen.

Frau Plöger, die in Westfalen in der Nähe zum Ruhrgebiet aufgewachsen ist, hat ein besonderes Andenken:


Mein Vater war Bergarbeiter auf einer Zeche unter Tage. Er ist in einem Korb heruntergefahren, um die Kohle rauszuholen. Und um an die Kohle zu kommen, musste man, wie heute auch noch, Sprenungen durchführen. Diese Drähte hier (Anmerkung: Frau Plöger zeigt auf einen Korb, siehe Foto unten), das sind noch solche Schießdrähte. Mein Vater hat unten unter Tage auch mit Fremdarbeitern gearbeitet, das waren Russen, Juden und Franzosen, die unter Tage den Deutschen helfen mussten. Mein Vater hatte Mitleid mit ihnen. Man hatte sie in einem Lager zusammengefasst, das neben der Zeche lag. Die Fremdarbeiter hatten natürlich wenig zu essen und wurden schlecht behandelt. Mein Vater nahm zwei Scheiben Brot mehr mit, was verboten war, und hat sie seinem ausländischen Kumpel zum Frühstück gegeben. Zum Dank hat er ihm dieses Körbchen geflochten. Das ist sagenhaft. Er hatte noch so ein Körbchen, das war in Form einer Ente, das bekam ich Mein Bruder kriegte ein Flugzeug. Beides ist verloren gegangen. Meine Eltern starben und als das Haus aufgelöst wurde, konnte man dieses eine noch retten. Das ist also ein Andenken an irgendeinen Russen, der es gemacht hat. 

Korb aus Schießdraht