Leben in der Hitlerzeit

Von 1933 bis 1945 herrschte in Deutschland die Nazi-Diktatur. Hat man das als Kind gespürt? Wie war das Leben in der Hitlerzeit?

 

Herr Graubohm berichtet:

 

Zur Hitlerzeit gab es regelmäßig Umzüge, jeden Sonntag. Irgendwas war immer, z. B. Antreten von der Ortsgruppe. Die Leute sollten immer fit gemacht werden für den Kampf. Ich erinnere mich an eine Situation: Der Kreisleiter kam, und das ging ja nicht mit normalen Worten ab, das ging nur mit Gebrüll. Ich stand da mit den anderen. Auch die SA-Leute waren dabei. Einer von ihnen hatte eine Feuerwehruniform an. Da kommt der Kreisleiter, sieht ihn in Feuerwehruniform und fragt, weshalb er keine SA-Uniform an hat. Da sagt er zu dem Kreisleiter: "Es muss auch Feuerwehrleute geben." Der Kreisleiter war so perplex, er wusste gar nicht, was er sagen wollte, und ist weiter gegangen. Das ist mir bis heute in Erinnerung geblieben.

 

Eins noch zur Ortsgeschichte: Ahlden hat ja einen kleinen Judenfriedhof. Da sind wir 1944 hinmarschiert. Wir haben gesungen: "Es zittern die morschen Knochen" und mussten die Grabsteine umreißen. Nach dem Krieg sind wir vom CVJM aus wieder dorthin und haben die Steine wieder aufgestellt.

 

Die SS hat den Bürgermeister Rathje im Büro abgeholt und ihm mit einem Hackebeil die Finger abgehackt. Er hat sich tot gestellt und sein Gefangener hat ihn auf dem Wagen unter Stroh bis zur Bothmerschen Mühle gefahren. Mit dem Kahn ist er über die Leine, weil die Brücke in Bothmer auch kaputt war, und hat ihn auf dem Rücken zum Krankenhaus getragen. Deshalb hat er überlebt. Das kann man sich nicht vorstellen, dass es so etwas Grausames gegeben hat. Ich selber konnte die Blutspuren verfolgen, die der Bürgermeister zurückgelassen hat. Der Förster war auch im Büro dabei, er hat sich retten können. Er ist in die Leine gesprungen, auf die andere Seite geschwommen und hat sich dort versteckt. An der Kirchentür war ein Zettel angeschlagen, den habe ich selber gesehen. Darauf stand, welche Leute sie beseitigt haben. Darunter kamen noch die Namen der Personen, die noch beseitigt werden mussten.

Frau Plöger als junges Mädchen

Frau Plöger erinnert sich daran, wie ihr Vater verbotene Radiosendungen hörte:


Ich kann mich an eines erinnern, das war kurz vor Kriegsende. Mein Vater ging zu einem Nachbarn und ich durfte mit mit meiner Puppe. Es wurde gesagt: „Papa geht Nachrichten hören“. Heute weiß ich, das waren Nachrichten, aber die, die man nicht hören durfte, nämlich die vom so genannten Feindsender. Da gab es immer so ein Signal, de-de-de-döm de-de-de-döm, so ging das und dann kam: ,,Hier spricht England". Es sagte dort jemand, welche Städte bombardiert wurden und vor allem wie viele Soldaten gefangen genommen wurden und wo. Das wurde alles bekannt gegeben. Natürlich durfte das keiner hören, das sollte ja keiner wissen in Deutschland. Mein Vater wusste es dann aber. Und ich saß in der Ecke, gleich an der Tür, links, auf einer kleinen Fußbank mit meiner Puppe und bekam von Frau Nielsen, dänischstämmig, Kekse. Ich wusste ja nicht, dass das verboten war. Mein Vater und der Nachbar hingen mit dem Ohr richtig im Apparat, weil sie das Radio ja auch nicht laut stellen konnten, da sie ja Nachbarn hatten und die es dann hören könnten. Zu der Zeit waren viele Denunzianten unterwegs. Zum Beispiel hatte eine Nachbarin gesagt: ,,Den Krieg können wir eh nicht gewinnen.“ Das hat eine andere Nachbarin gehört und hat sie angeschwärzt und die ist dann ins KZ gekommen, ins Konzentrationslager nach Ravensbrück. Ravensbrück war ein Frauenlager. Sie kam nach dem Krieg wieder, war dann aber ziemlich heruntergekommen.