Luftangriffe

In vielen Berichten aus dem 2. Weltkrieg ist von Luftangriffen die Rede. Haben Sie Erfahrungen mit Luftangriffen gemacht?

 

Herr Graubohm berichtet:

 

1943/44 kamen die Amerikaner mit ihren Flugzeugen, da sind meine Großmutter und ich aus Angst aus der Hütte gegangen und wir haben uns in einen Graben hinter eine Hecke gelegt. Meine Großmutter hat die Flugzeuge gezählt. Bei 600 hat sie aufgehört. Es kam ein Schwarm nach dem anderen. Die Erde hat vibriert von dem Motorengeräusch. Ich erinnere mich so genau, als wenn es gestern gewesen wäre, wie wir in dem Graben lagen. Die englischen Jagdflugzeuge konnten im Anflug schießen und auch im Abflug. Sie hatten auch im Heck Schützen. Sie haben auf einzelne Leute auf dem Feld geschossen.

 

Sowie sich einer gewehrt hat, in Kirchboitzen zum Beispiel, kamen sie mit Flugzeugen und Artillerie. Es wurde so lange geschossen, bis alles platt war. Da kannten sie keine Verwandten. Die Tiefflieger haben auf den einzelnen, der auf dem Hof war und der gepflügt hat, geschossen.

 

Herr Meins berichtet:

 

Bei Fliegeralarm wurden wir nach Hause geschickt. Mein Vater gab mir den Rat, dass ich bei Tiefflieger-Alarm in Deckung gehen oder flach auf den Boden legen sollte. Ein Flugzeug, das Hannover bombardieren sollte, hat aus unerklärlichen Gründen seine Bomben im Bruch in der Nähe des heutigen Safari-Parks abgeworfen. Einige Tage später haben wir mit unserem Lehrer einen Ausflug zu der Stelle gemacht. Es waren dort 5 oder 6 Bombentrichter. Sie waren so groß, dass man ein ganzes Haus drin versenken konnte.

 

Im Sommer 1943 wurde ein Personenzug, der aus Hodenhagen kam und nach Walsrode fuhr, von drei englischen Spitfire-Jagdflugzeugen beschossen. Die Flugzeuge flogen über unser Haus hinweg. Vorher gab es Fliegeralarm, und wir dachten: "Oh, was ist denn jetzt los." Im selben Moment ist der Zug vom Bahnhof in Hodenhagen abgefahren. Die Piloten haben das gesehen. Die Flugzeuge haben abgedreht und den Zug beschossen. Die Lokomotive wurde so getroffen, dass eine Weiterfahrt nicht mehr möglich war. Menschen kamen aber nicht zu Schaden. Als der Zug mit einem Maschinengewehr beschossen wurde, flogen die Hülsen raus. Sie blieben nicht im Flugzeug, sondern landeten auf unseren Ländereien. Wenn wir danach Kartoffeln gerodet haben, kam immer mal wieder so eine Hülse mit hoch.

 

Einmal flogen englische Jagdflugzeuge über Beetenbrück. Das Munitionsdepot wurde getroffen und explodierte, ein Jagdflugzeug wurde getroffen und stürzte in eine Kiefernschonung an der Bierder Straße. Der Pilot konnte sich mit einen Fallschirm retten und wurde von der Polizei abgeführt. Ich habe mir die Absturzstelle angesehen, das Flugzeug war zertrümmert.

Ernst Meins Vater (rechts) vor einem abgeschossenem Flugzeug.
Ernst Meins Vater (rechts) vor einem abgeschossenem Flugzeug.

Herr Siemer erzählt:

 

Die Züge fuhren aber nicht pünktlich, wenn Fliegerangriff war, und so etwas war ja damals an der Tagesordnung. Die Bomberverbände kamen nachts und spät am Tag. Die Flugzeuge konnten wir zählen. Unsere Luftwaffe war lahm gelegt. Ab und zu wurde in der Nacht ein Flieger runter geholt, aber selten.

Einmal habe ich ein Fliegerangriff auf unserem Zug erlebt, aber da ist nichts Ernsthaftes passiert. Jeder Zug hatte einen Waggon, auf dem ein kleines Flakgeschütz (Flugabwehrkanone) drauf war. An der Flak saßen die alten Schaffner, die Rentner, die haben dafür extra eine Schulung bekommen, aber sie haben kaum ein Flugzeug runtergekriegt.


Die Flugzeuge und die Bomberverbände kamen auch während des Unterrichts, dann gab es Fliegeralarm. In solchen Fällen mussten wir aus den Klassenzimmern raus und in den Sunder, zur großen Forst, dort mussten wir uns verteilen. Zum Glück ist uns nie etwas passiert. Die Jagdflugzeuge, die zur Begleitung der Bomber flogen, haben auf alles und jeden geschossen. Sie haben auch die Pferde beschossen, die gerade beim Feldpflügen waren. Wenn die Bomber ihre Bomben loswerden wollten, war es ihnen egal, wo die Bomben landen. Die Piloten haben einfach auf den Knopf gedrückt und sie fallen gelassen.

Frau Meins erzählt:


Wenn Fliegeralarm war, wurden wir immer nach Hause geschickt. Ich habe es einmal auf dem Heimweg erlebt, dass ein amerikanisches Flugzeug abgeschossen wurde und dann am Himmel brannte. Wir Kinder haben natürlich geschrien und uns in den Graben geworfen. Wir haben Angst gehabt, dass es auf uns runter fällt.


Im April 1945 war der Beschuss durch die Engländer. Meine Mutter, meine Schwester und ich wollten die Kühe wieder aus der Marsch holen. Aber es war nicht möglich wegen der Geschosse, die am Himmel flogen. Also sind wir wieder nach Hause gegangen. Am nächsten morgen standen die Kühe vor der Tür und wollten gemolken werden. Sie kamen ganz allein nach Hause. Das sind Erinnerungen, die man nicht vergisst.

Frau Plöger, die den Krieg im Raum Westfalen miterlebt hat, schildert die Luftangriffe so:

 

Dortmund und Hamm lagen in der Nähe, beides sind Großstädte, da kamen natürlich viele Angriffe aus der Luft. Wir haben als Kinder im Sommer immer draußen gesessen und die großen Fliegerverbände in der Luft gesehen, die ihre unselige Fracht auf die Großstädte abgeladen haben. Man sah abends von Weitem den Feuerschein und man roch auch manchmal den Rauch. Im Radio kam die Ansage: ,,Es ist ein Verband über Köln oder über Dortmund im Anflug.“ Dann wussten wir schon Bescheid, die Flugzeuge kommen bald zu uns und wir müssen uns im Keller verschanzen. Dort war ein Raum eingerichtet mit Stempeln, so sagt im Ruhrgebiet, das waren Baumstämme. Das war ein Luftschutzbunker sozusagen. Ich meine, im Ernstfall hätten diese Baumstämme das ganze Haus nicht aufhalten können, das wäre zusammengekracht, aber wir hatten irgendwie ein Gefühl von Sicherheit. Wir rannten, wenn die Sirenen ertönten. Auch Nachts haben wir öfters da geschlafen, weil immer, wenn man das Brummen hörte, man in den Keller musste.

 

Ich kann mich noch erinnern, an einen Abend, da hat meine Mutter mit meinem Bruder, er war drei Jahre jünger als ich, im Kartoffelschuss ein Bett für uns aufgeschüttet, aus Stroh. Der Kartoffelschuss, das war eine Holzkiste, wo die Kartoffeln für den Winter drin auf bewahrt wurden. Wir schliefen auch meist mit unseren Klamotten, damit wir, falls was war, nicht noch erst angezogen werden mussten, sondern konnten gleich los konnten.

 

Wenn Nachts angegriffen wurde, wurden von den feindlichen Flugzeugen oft sogenannte „Tannenbäume“ gesetzt. Das waren Lichterbäume, die die Piloten abgesetzt haben, damit sie von oben sehen konnten, wo was war und wo sie ihre Bomben abladen konnten.

 

Und hin und wieder kam es auch vor, dass meine Mutter uns auf ihr Fahrrad setzte – ich hinten, weil ich die ältere war und mein Bruder vorne im Körbchen. Dann fuhr sie mit anderen Leuten ins Feld, dort hatten ein paar anderen Leuten eine Kuhle vertieft. Darum herum standen Bäume und Büsche. Da war man also von oben etwas geschützt. Und dort haben wir gesessen und gewartet, bis der Fliegeralarm wieder zu Ende war, und dann ist meine Mutter wieder mit uns nach Hause gefahren.

 

Es war eigentlich so, dass man als Kind in der Jugendzeit oder in der Kinderzeit das alles nicht so bewusst mitgekriegt hat. Man hat das zwar erlebt und auch irgendwie über die Eltern und die Umgebung viel mitgekriegt, aber als Kind nimmt man die Sachen nicht so tragisch. Das kam eigentlich erst später, als es zum Beispiel Luftangriffe gab. Wir haben das als Kinder, das kann ich so für mich sagen, erstmal alles als Abenteuerspielplatz gesehen.


Hier können Sie sich den Anfang der Schilderung von Frau Plöger im Originalton anhören (Dauer ca. 2 min).